stille see rosa s 250vyutthāna-nirodha-saṁskārayoḥ abhibhava-prādurbhāvau nirodhakṣaṇa cittānvayo nirodha-pariṇāmaḥ
व्युत्थाननिरोधसंस्कारयोरभिभवप्रादुर्भावौ निरोधक्षणचित्तान्वयो निरोधपरिणामः

Mit Sutra III-9 beginnt sie, die Reise in die Tiefen des Geistes. Der buddhistisch geprägte Kommentator Wim van den Dungen umschreibt den folgenden Abschnitt im Yogasutra mit der Überschrift „Transformation“. Andere titeln: „Making the Change, Being the Change, The Great Shift” (den Wandel vollziehen, die Veränderung sein, der große Wandel).

Worum geht es? In der Philosophie des Yogasutra ist jedes Objekt der Gegenwart ein Ergebnis der Vergangenheit. Die Eigenschaften, Wechselbeziehungen und Veränderungen der drei Gunas (Eigenschafte/Kräfte) machen die ganze Welt aus (Sanskrit: Prakriti). Auch unser Geist, Chitta, ist Teil von Prakriti und kann somit umgewandelt werden.

Im Folgenden erläutern Patanjali und die Kommentatoren des Yogasutra die erste Verwandlung - nirodha parinama: wie wir unseren Geist in Richtung Stille, Frieden und schließlich Samadhi verändern können.

1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:

  • Vyutthana, vyutthāna, Vyutthâna = Wachsen; Auftauchen; Erwachen; Unruhe; Nachgeben; Sprunghaftigkeit; Pflichtversäumnis; Entstehung; nach außen tretende Energie; aufsteigen; nach außen gerichtet sein;
  • Nirodha = Beendigung; Aufhebung; Unterdrückung; Beherrschung (zur Ruhe des Geistes); Ruhe; Stille; Kontrolle; Verdrängung; Auflösung; aufhören; Aufhören; Selbstbeherrschung;
  • Samskara, saṁskāra, samskârayoh = Manifestation im Unterbewusstsein; von den Eindrücken; unterbewusste Prägungen (von vergangenen Handlungen/Gedanken); Neigungen, Ängste und Haltungen aufgrund von Vorerfahrungen; unbewusstes Programm;
  • Abhibhava = Überwindung; Unterdrückung; Verschwinden;
  • Pradurbhavau, prâdurbhâvau, prāduḥbhāva = Erscheinung; Aufsteigen; Auftauchen; Manifestation;
  • Kshana, kṣaṇa = Moment; Situation; Augenblick;
  • Nirodha-kshana = der unveränderte Gemütszustand im Augenblick der Unterdrückung; Zustand im Augenblick der Sammlung;
  • Citta, Chitta = Verstand; Geist; Bewusstsein;
  • Anvayah, anvayoh = Durchdringung; Verbindung, verbunden mit; Beziehung; Nachfolge; folgend; Verlauf; Zusammensetzung;
  • Parinamah, parinâmah, pariṇāma = Umwandlung; Wandel; (allmähliche) Entwicklung; Evolution; Transformation; Verpflichtung;

2. Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hervorhebungen weisen auf Besonderheiten der jeweiligen Übersetzung hin. Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • Sukadev: „… durch ... wachsende Beherrschung der ständig auftauchenden und wieder verschwindenden Eindrücke des Unterbewusstseins ...“
  • Deshpande/Bäumer: „… geschieht eine Verwandlung, die die »Verwandlung in den Ruhezustand« (nirodha-parinama) genannt wird.“
  • Dr. R. Steiner: „Der Übergang zur inneren Stille (Nirodha-Parinama) ist gekennzeichnet durch ...“
  • Coster: „… hat das Bewusstsein eine … Form angenommen, die selbst eine Abwandlung, eine Zielsetzung des Bewusstseins bedeutet.“
  • Feuerstein: „Werden die unbewussten Antriebskräfte (samskara) unterworfen und manifestieren sich damit die unterwerfenden Kräfte, …“
  • R. Palm: „Wenn die Erregungs- und Beruhigungs-Prägungen [abwechselnd] verschwinden und erscheinen …“
  • R. Sriram: „Wenn das Citta [das meinende Selbst] … in manchen Situationen sehr gesammelt und in anderen noch sehr sprunghaft ist …“
  • Govindan: „Wenn die unruhigen [Bewegungen] … überwunden werden …, wird … die Selbstbeherrschung in das Unterbewusstsein eingeprägt.“
  • Iyengar: „… Wenn das Bewusstsein sich jeweils mit dem Moment des Ruhezustandes verbindet …“
  • Chip Hartranft: „Die Transformation zu völliger Stille erfolgt, wenn neue latente Eindrücke, die das Aufhören fördern, entstehen, um die Aktivierung ablenkender, gespeicherter Eindrücke zu verhindern, und Momente der Stille beginnen, das Bewusstsein zu durchdringen.“
  • R. Skuban: „Wird unser Bewusstsein ganz von jener Stille durchdrungen, ..., so nennt man das nirdodha-parinama: den transformativen Zustand der Stille.“
  • T.K.V. Desikachar: „… Wenn sich unser Geist über eine gewisse Zeit in dem Zustand der Ausrichtung befindet, so kommt es zu einer Veränderung, die von dieser Fähigkeit zur Ausrichtung geprägt ist.“
  • G. Pradīpaka: „Die Unterwerfung (abhibhava) der latenten (verborgenen) Eindrücke ... (saṁskārayoḥ) des manifesten Zustandes -- d.h. „Vyutthāna“ oder des gewöhnlichen Bewusstseinszustandes, in dem es geistige Schwankungen gibt -- ... und das Erscheinen --prādurbhāva-- ... der latenten Eindrücke ... des festgehaltenen Geisteszustandes (nirodha) (ist) die Veränderung (pariṇāmaḥ) von (eben jenem) festgehaltenen Geisteszustand (nirodha). (Diese Veränderung) ist mit dem Geist (citta) in (jedem) Moment (kṣaṇa) dieses verhafteten Geisteszustandes (nirodha) verbunden (anvayaḥ).“
    Sein Hinweis: Man beachte, dass „saṁskārayoḥ“ wörtlich „von beiden latenten Eindrücken“ bedeutet (d.h. „von denen des Vyutthāna --manifester Zustand-- und des Nirodha --verhafteter Geisteszustand--). Im Gegenzug bedeutet „abhibhavaprādurbhāvau“ wörtlich „die Unterwerfung (abhibhava) und das Erscheinen (prādurbhāva)“. Ich musste die Übersetzung anpassen, damit der Sinn des Aphorismus richtig verstanden werden kann.
  • 12koerbe.de: „... Stillungs-Feineindrücke Bewältigung ... Stillungs-Reife ... “
  • Hariharananda Aranya: „Die Unterdrückung der Phasen der Schwankungen und das Auftauchen der Phasen des angehaltenen Zustandes, die in jedem Moment der Leere des angehaltenen Zustandes im selben Geist stattfinden, ist die Umwandlung des angehaltenen Zustandes des Geistes.“
  • I. K. Taimni: „Nirodha Parinama ist diejenige Umwandlung des Geistes, bei der er allmählich von jenem Zustand von Nirodha durchdrungen wird, der augenblicklich zwischen einem Eindruck, der verschwindet, und dem Eindruck, der stattfindet, liegt.“
  • Vyasa Houston: „Das Untertauchen des sanskara - des unterschwelligen Auslösers der Äußerlichkeit - und das Auftauchen des sanskara von nirodha - des Aktes der Beendigung (citta-vrtti) - ist das nirodha-parinama (nirodha-Transformation), das mit citta - dem Energiefeld des Bewusstseins im Moment der nirodha - verbunden ist.“
  • Barbara Miller: „Die Transformation des Denkens, die zu seiner eigenen Beendigung führt, wird von Momenten der Beendigung begleitet, in denen unterschwellige Eindrücke der geistigen Ablenkung überwunden werden und an ihrer Stelle solche der Beendigung auftauchen.“
  • Swami Satchidananda: „Die Eindrücke, die normalerweise auftauchen, werden durch das Auftauchen von Unterdrückungsbemühungen zum Verschwinden gebracht, die ihrerseits mentale Modifikationen erzeugen. Der Moment der Verbindung von Geist und neuer Modifikation ist nirodha parinama.“
  • Swami Prabhavananda: „Wenn die Vision des unteren Samadhi durch einen Akt bewusster Kontrolle unterdrückt wird, so dass es keine Gedanken oder Visionen mehr im Geist gibt, ist das das Erreichen der Kontrolle über die Gedankenwellen des Geistes.“
  • Swami Vivekananda: „... durch die Unterdrückung der gestörten Zustände des Geistes und durch das Aufkommen von Kontrollzuständen wird gesagt, dass der Geist die kontrollierenden Zustände erlangt - in Anlehnung an die kontrollierenden Kräfte des Geistes.“
  • Wim van den dungen (buddhistischer Kommentar zum Yogasutra): „Die Restriktions-Transformation, die mit dem Bewusstsein in seinem Moment der Restriktion verbunden ist, ist die Unterwerfung der Reaktoren der Emergenz & das Hinausgehen desjenigen der Restriktion.“
  • ChatGPT: "Die Transformation des Geistes (nirodha-parinamah) ist das Aufeinanderfolgen von Momenten der Unterdrückung (nirodha-ksana) und der aufsteigenden Gedankenwellen, die durch die Erscheinung und das Verschwinden von samskaras (Verhaltensmuster) entstehen."
Zu den Quellen

Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:

Bücher

Internetseiten

Dein Übersetzungsvorschlag

Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.

Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?

Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)

 

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3. Wo wir stehen

Samyama ist die Schlüsselübung im dritten Kapitel des Yogasutra. In den Sutras III-1 bis III-7 erläutert Patanjali zunächst, was Samyama ist: die Kombination aus Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). Er erklärt, dass diese letzten drei Stufen des Ashtanga-Yoga zwar innerlicher sind als die ersten fünf (Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara), aber immer noch “äußerlich gegenüber dem samenlosen Zustand.” In Sutra III-8 stellt Patanjali dann aber klar, dass der Yogi zur Erlangung der Erleuchtung über Samyama hinausgehen muss.

In den Sutras III-9 bis III-15 erläutert Patanjali, welche Wandlung der Geist (Chitta) vollziehen muss, um Samyama bis zur Perfektion ausüben zu können. Aufeinander aufbauend sind das die Stadien Nirodha-Parinama (Wandel durch Sammlung, einfache Konzentration), Samadhi-Parinama (Wandlung durch länger andauernde Konzentration) und Ekagrata-Parinama (Wandel/Transformation durch vollkommene Versenkung auf einen Punkt/ein Thema).

Merke: Bei diesen Transformationen wird nichts Neues geschaffen, kein neuer Geist gebildet, sondern der Geist wird umgeformt und erhält so neue Eigenschaften. Oder eine Eigenschaft des Geistes war verborgen und wird nun durch die Wandlungen an die Oberfläche gebracht.

Man kann die Sutras III-9 bis III-15 so deuten, dass der notwendige Wandel des Geistes (nur) nach und nach vonstattengeht, keine eilige Erledigung darstellt.

4. Der Wechsel von Ruhe und Aktivität im Geist

„Wie ein Bogenschütze seinen Pfeil auf ein Ziel richtet, so richten die Weisen ihre unruhigen Gedanken auf ein Ziel aus.“

Buddha im Dhammapada, Vers 33

Der Geist kann mit zwei Zuständen charakterisiert werden:

  • Zum einen jenen der Bewegung. Gedanken strömen durch den Geist, erzeugen Gefühle, das Gewahrsein schwappt von einem Objekt zum nächsten.
  • Zum anderen jenem Zustand des ruhigen Gewahrseins, konzentriert bei einem Objekt.

Schon allein durch das Bemerken dieses Wechselspiels, so Desphande auf Seite 140: “... neigt er von selbst dem Pol der Unbeweglichkeit oder nirodha zu.”

Man kann dies auch in zwei Arten von Samskaras einordnen:

Samskara: Prägungen bzw. unbewusster geistiger Eindruck aus dem jetzigen und früheren Leben, der in der Gegenwart fortwirkt. Tiefere Ursachen, die unserem Verhalten zugrundeliegen. Die zwei Arten hier sind:

  • Nirodha-Samskara = Beruhigungsprägung
  • Vyutthana = Erregungs-Prägung

Beide Prägungen erscheinen der/dem Übenden in der Meditation.

5. Nirodha-Parinama: Störende Gedankenwellen mit Nirodha unterdrücken

Parinama

Parinama ist “Das zentrale Wort dieser Sutra” (Palm). Wörtlich mit Umbiegung zu übersetzen, hier als Verwandlung, Wandlung oder Transformation des Bewusstseins gemeint.

Nirodha-Parinama ist ... “Die Transformation, die das Bewusstsein auf den >Anhalte-Impuls< konditioniert.” (Palm)

Mit "störenden Gedankenwellen" sind die unruhigen und ablenkenden Gedanken gemeint, die unseren Geist im Alltag heimsuchen. Die Transformation des Geistes bezieht sich auf die Fähigkeit, den Geist von diesen Gedankenwellen zu befreien und einen Zustand der inneren Ruhe und Klarheit zu erreichen.

Wiederholt der Yogi diesen Akt des Zuruhebringens immer wieder, schafft “die Kraft dieses Aktes einen ruhigen Strom des Geistes, der die eigentliche Aufhebung der erregten Aktivtät (vyutthana) bedeutet.” (Deshpande) Das ist Nirodha-Parinama.

Rainbowbody schreibt: “Einfach gesagt, ist das Haupthindernis für Samadhi, das Meditierende erfahren, diskursives Denken”. Das Denken an Vergangenheit, an Zukunft, an Wünsche usw. Alles, was den Yogi davon abhält, im Hier-und-Jetzt ganz wahrzunehmen.

Nirodha bedeutet "Unterdrückung", “Auflösung” oder "Kontrolle" von diesen Gedankenprozessen. Patanjali verwendet das Wort drei Mal in dieser Sutra. In Sutra III-9 ist mit Nirodha u.a. die Unterdrückung der aufsteigenden Gedankenwellen gemeint.

Übrigens: Nicht alle Kommentatoren sehen diese Unterdrückung als einen aktiven Prozess an. Vielmehr sollte/kann man man Gedanken allein durch Beobachten “auslaufen” lassen.

6. Parinama-Transformation: Den Geist Stück für Stück umwandeln

Doch wie setze ich das in der Praxis um? Sukadev empfiehlt, jeden störenden Gedanken einen nach dem anderen verschwinden zu lassen. Er erzählt von dem Gleichnis eines einfachen Tuches, das durch Ersatz von jedem einzelnen Faden nach und nach in ein Goldtuch verwandelt wird. Konkret bedeutet das, immer versöhnlicher zu agieren, ungünstige Wünsche durch förderliche Varianten ersetzen, am Ende der spirituellen Entwicklung schließlich auch diese aufgeben ,,, alle Reaktionen des Geistes positiver, geduldiger, liebevoller und/oder ruhiger werden zu lassen. So gelangt der Geist mit der Zeit immer mehr unter unsere Kontrolle.

Diese Entwicklung verläuft aber nicht linear von “verstörter Geist” zu “unbewegter Geist”. Manchmal kommt es zu Sprüngen, zu anderen Zeiten scheint unsere Geistesbeherrschung zu stagnieren und hin und wieder fallen wir in überwunden geglaubte Geistesgewohnheiten zurück.

Patanjali und viele Kommentatoren ermuntern dann dazu, nicht nachzulassen und auf dem Pfad zu bleiben. Wunsch um Wunsch aufgeben, immer häufiger die Ruhe des Geistes suchen und sich um all das bemühen, was den eigenen (individuellen) Geist in die Ruhe führt.

6.1. Die Transformation

In dieser und den folgenden Sutras geht es um eine Veränderung im Geist des Praktizierenden. Für Patanjali war also Veränderung real, im Gegensatz zu manchen Lehren der Upanishaden, die Veränderung als unwirklich betrachten. Der Geist wandelt sich. Aber Purusha, unser Wahres Selbst, bleibt unverändert.

Wim van den Dungen schreibt: “Transformation zu verstehen bedeutet, nachvollziehen zu können, wie der Geist den Wandel von seinem gewöhnlichen verblendeten Zustand (dem Gesehenen) zu einem weniger leidenden Geist und schließlich zu einem erwachten Geist (dem Seher) vollzieht.” Dazu müsse sich der “gewöhnliche Geist” in einen selbst-bewussten Geist verwandeln.

Rainbowbody sieht den Prozess der Transformation folgendermaßen: “Der Affengeist hört auf, sich zu erheben, wenn man sich in bedingungslose (natürliche) Offenheit entspannt.”

6.2. Das Kristallgleichniss

Nirodha-Parinama wird manchmal mit dem Entfernen eines schwarzen Tuches von einem Kristall verglichen. Hebt man diesem von dem Schmuckstein hinweg, so wird der Kristall wieder leuchten. Ähnlich verhält es sich mit dem Chitta: Das Licht ist immer da, aber Trübungen (Gedanken) verhindern, dass wir es sehen.

6.3. Den Moment der Stille studieren

Iyengar erkennt in den vier Phasen des Atmens:

  1. Einatmung
  2. Pause
  3. Ausatmung
  4. Pause

eine Analogie zur Praxis von Nirodha-Parinama:

  1. Aufsteigender Gedanke
  2. Stille
  3. Unterdrückung des Gedanken
  4. Stille

Iyengar schreibt, dass es genau auf den Moment der Stille ankommt, der zwischen dem Aufsteigen eines Denkvorgangs und des Unterdrückungsimpulses sowie zwischen dem erfolgreichen Unterdrückungsimpuls und dem erneuten Aufsteigen eines Gedanken zu erfahren ist. Transformation unseres Geistes “... wird dadurch erreicht, dass man die stillen Augenblicke studiert”.

Und diese Momente der Stille immer länger auszudehnen. Iyengar schreibt klar: „Der Sadhaka [Yoga-Schüler] muss sich dazu erziehen, augenblicklich zu reagieren und sie im Keim zu ersticken. Jedes Abweisen von Eindrücken führt wieder in den Zustand der Ruhe zurück.”

7. Die Frucht von Nirodha-Parinama

Wozu der Aufwand von Nirodha-Parinama? Um das zu erkennen, was wir wirklich sind. Um Unterscheidungskraft zu entwickeln zwischen dem Wandelbaren und dem Ewigen. Um Kaivalya, die Befreiung, das Erwachen zu erreichen.

Auf Rainbowbody ist zu lesen: „Durch die Beherrschung von Nirodha-Parinama kann man das Ausströmen der Geisteswellen (Vyutthana) mit ihrem Entstehen augenblicklich aufheben, so wie sich zwei Wellen in der Nullpunktstille gegenseitig aufheben. Nirodha-parinama ist eine Praxis, die den Geist zum Stillstand bringt, die normalerweise in der Meditation angewendet wird.“

Und weiter: “... hört das Auftauchen (vyutthana) neuer Gedanken auf (nirodha), indem diese Wurzelursache (das samskara) entfernt wird. Nirodha parinama ist eine transformierende Praxis, die … Samskaras beseitigt ... Nirodha parinama wird als die erste Komponente eines erfolgreichen Samyama beschrieben. Sie wird natürlich und mühelos, wenn sie erkannt/gemeistert wird.”

8. Kommentar von Vyasa zu Sutra 3.9

Erläuterungen zu Vyasa

Vyasa war ein indischer Philosoph des 5. bzw. 6. Jahrhunderts nach Christi, der den ältesten überlieferten Kommentar zum Yogasutra des Patanjali schrieb. Der Text wird Yogabhashya (wörtlich "Kommentar (Bhashya) zur Yogaphilosophie") genannt und um 600 nach Christi datiert. Vyasas Kommentare zu den Sutras sind oftmals recht kurz.
Dieses Yogabhashya wurde im 8./9. Jh. von Shankara (788–820 n. Chr, indischer Gelehrter, Vedanta-Philosoph, Begründer der Advaitavedānta-Tradition) kommentiert. Sein Kommentar nennt sich Yogabhashyavivarana, Vivarana ist ein Unterkommentar. Auch Vachaspati Mishra hat einen frühen, berühmten Kommentar zum Yogasutra geschrieben. (Meine Quellen für diese Kommentare waren unterschiedliche Bücher und Webseiten, zum Beispiel Legget (siehe Literatur) und wisdomlib.org/hinduism/book/yoga-sutras-with-commentaries/). Ich gebe hier diese Kommentare in für mich relevanten Auszügen in Worten wieder, die für mich den Sinn in heutigen Worten am besten wiedergeben. Dies ist explizit kein Bemühen, die Originalkommentare wortgetreu wiederzugeben. Fehlinterpretationen sind natürlich in meiner Verantwortung.

Du siehst etwas anders, hast einen Fehler gefunden oder möchtest etwas ergänzen? Bitte schreibe dies unten bei "Ergänzungen von dir".

Die Kommentare von Vyasa, Mishra und Shankara sind oft wörtlich übersetzt worden, zum Beispiel bei den oben angegebenen Quellen.

Vyasa erklärt in seinem Kommentar, dass sowohl der Zustand des Denkens (also des Vorhandenseins von Gedankenwellen oder äußeren Samskaras) als auch der der Hemmung jeglicher Geistesaktivität beides Eigenschaften des Geistes sind. Im Zustand der Hemmung nach außen gerichteter Gedankenwellen findet die Transformation des Geistes statt.

9. Sutra III-9 im Alltag üben

Die beste Praxis der Unterdrückung des Denkens ist die Meditation: Eine regelmäßige Meditationspraxis hilft uns, den Geist zu beruhigen und störende Gedankenwellen zu unterdrücken. Versuche, täglich zumindest 15-20 Minuten zu meditieren (meint hier: den Geist immer wieder auf ein Meditationsobjekt sammeln, sobald sich Gedanken bilden). Um den Geist zu klären und einen Zustand der inneren Ruhe zu kultivieren.

Wie können wir Sutra III-9 im Alltag noch üben? Vor allem dadurch, indem du immer bewusster deine Gedanken wahrnimmst und - im zweiten Schritt - ungünstige Gedanken durch friedfertige/heilsame ersetzt. Hier sind konkrete Beispiele:

  • Spürst du Wut oder Ärger über eine Person und hast dabei Gedanken der Vergeltung und Bestrafung? Versuche dann, die Position deines Gegenübers zu verstehen und dadurch Gefühle und Gedanken des Mitgefühls, wenn nicht sogar liebevolle Gedanken entstehen zu lassen.
  • Suchtgedanken: Wenn dir die Vorstellung vom Verzehr einer Tafel Schokolade oder eine Zigarette in den Sinn kommt, übe dich (hin und wieder) yogisch, indem du dieses Begehr in Gedanken durch die Freude über etwas Gesundes, zum Beispiel eine Tasse Tee, ersetzt.

10. Parallelen in der abendländischen und asiatischen Philosophie

Sutra III-9 hat auch Parallelen in der abendländischen und asiatischen Philosophie. Hier sind drei Beispiele:

  • Stoizismus (abendländische Philosophie): Der stoische Philosoph Epiktet betonte die Wichtigkeit der Kontrolle über unsere Gedanken und Emotionen, indem er sagte: "Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern ihre Urteile über die Dinge." (Quelle: "Lehren des Epiktet")
  • Taoismus (asiatische Philosophie): Im Taoismus wird die Idee des "Wu Wei" gelehrt, das bedeutet "Nicht-Handeln" oder "Handeln ohne Anstrengung". Dieses Konzept ähnelt der Idee von Nirodha, da es sich darauf konzentriert, den Geist zu beruhigen und störende Gedankenwellen zu unterdrücken. (Quelle: "Tao Te Ching" von Laozi)
  • Konfuzianismus (asiatische Philosophie): Im Konfuzianismus wird die Entwicklung der inneren Ruhe und Klarheit durch Selbstkultivierung gelobt. Dies ist ähnlich der Transformation des Geistes, die in Sutra III-9 beschrieben wird. (Quelle: "Die Gespräche des Konfuzius")

11. Parallelen im Buddhismus

Es gibt auch Parallelen zwischen Sutra III-9 und buddhistischen Texten. Hier sind drei Beispiele:

  • Satipatthana Sutta (Pali-Kanon): In diesem buddhistischen Text werden unter anderem vier Grundlagen der Achtsamkeit (auf den Körper, den Atem etc.) beschrieben, die dazu beitragen, den Geist zu klären und störende Gedankenwellen zu unterdrücken. Dieses Geistestraining ähnelt der Transformation des Geistes, die in Sutra III-9 beschrieben wird. (Quelle: "Satipatthana Sutta: Die Grundlagen der Achtsamkeit")
  • Dhammapada (Pali-Kanon): Im Dhammapada heißt es: "Wer seinen Geist bezwungen hat, der ist glücklich." (Vers 35) Dieser Vers betont die Bedeutung der Geisteskontrolle, die auch in Sutra III-9 thematisiert wird.
  • Shamatha (Buddhistische Meditation): Shamatha-Meditation ist eine buddhistische Praxis, die darauf abzielt, den Geist durch Konzentration auf ein Objekt zu beruhigen und störende Gedankenwellen zu unterdrücken. Diese Praxis ist ebenfalls eng verwandt mit der in Sutra III-9 beschriebenen Transformation des Geistes.

12. Anwendung von Sutra III-9 in verschiedenen Yogastilen

Sutra III-9 kann in verschiedenen Yogastilen angewendet werden. Hier zwei Beispiele:

  • Hatha Yoga: Im Hatha Yoga wird die Kontrolle der Gedankenwellen durch die konzentrierte Praxis von Asanas (Körperhaltungen) und Pranayama (Atemübungen) erreicht. Durch diese Techniken wird der Geist beruhigt und fokussiert, wodurch die in Sutra III-9 beschriebene Transformation des Geistes unterstützt wird.
  • Kundalini Yoga: Kundalini Yoga ist ein Yogastil, der sich auf das Erwecken der Kundalini-Energie konzentriert, die am unteren Ende der Wirbelsäule ruht. Durch die Praxis von speziellen Atemübungen, Körperhaltungen und Meditationen in konzentrierter Achtsamkeit wird der Geist gereinigt und die in Sutra III-9 beschriebene Transformation des Geistes gefördert.

13. Persönliche Entwicklung durch Sutra III-9

Die Umsetzung von Sutra III-9 in deiner persönlichen Entwicklung kann dir dabei helfen, innere Ruhe, Klarheit und Fokus zu erlangen. Du wirst in der Lage sein, stressige Situationen besser zu bewältigen und dich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Diese Fähigkeiten können auch deine zwischenmenschlichen Beziehungen positiv beeinflussen, da du gelassener und präsenter im Umgang mit anderen Menschen sein wirst.

14. Parallelen zu moderner Wissenschaft

Es gibt Parallelen zwischen Sutra III-9 und der modernen Wissenschaft. Zum Beispiel:

  • Neurowissenschaften: Neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Meditation und Achtsamkeit positive Auswirkungen auf das Gehirn haben, indem sie die Aktivität in den Bereichen reduzieren, die für störende Gedanken verantwortlich sind. Gerne wird das Stichwort “Neuroplastizität” für dieses Phänomen verwendet. Die gute Nachricht: Prinzipiell bleibt diese Veränderbarkeit des Gehirns unser ganzes Leben lang möglich.
  • Psychologie: In der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) werden Techniken gelehrt, die helfen, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Diese Techniken können mit der in Sutra III-9 beschriebenen Transformation des Geistes verglichen werden.

15. Parallelen in anderen bekannten Yogatexten und spirtuellen Traditionen

Sutra III-9 hat auch Parallelen in anderen bekannten Yogatexten. Hier sind drei konkrete Beispiele:

  • Bhagavad Gita: In der Bhagavad Gita (Kapitel 6, Vers 25) wird die Bedeutung der Geisteskontrolle betont: "Mit stetiger Ausdauer und ohne von den Sinnen abgelenkt zu werden, soll er [der Yogi] seinen Geist beherrschen und Frieden finden."
  • Yoga Vasistha: Im Yoga Vasistha, auch ein klassischer Yogatext, wird ebenfalls die Notwendigkeit betont, den Geist von störenden Gedankenwellen zu befreien, um Selbstverwirklichung zu erreichen.

Sutra III-9 hat auch Parallelen in anderen spirituellen Traditionen. Hier sind drei konkrete Beispiele:

  • Christentum: Im Christentum wird die Bedeutung der inneren Ruhe und des kontemplativen Gebets betont. In der Bibel heißt es: "Seid still und erkennt, dass ich Gott bin." (Psalm 46,10) Dieser Vers spiegelt die in Sutra III-9 beschriebene Kontrolle der Gedankenwellen wider.
  • Sufismus: Im Sufismus, einer mystischen Strömung innerhalb des Islams, wird die Bedeutung der Geisteskontrolle und Meditation betont. Sufis praktizieren zum Beispiel Dhikr, die ständige Wiederholung von Gottesnamen, um den Geist zu klären und störende Gedankenwellen zu unterdrücken.
  • Judentum: In der jüdischen Mystik, der Kabbala, wird ebenfalls die Bedeutung der Geisteskontrolle und Meditation betont. Die Kabbalisten praktizieren Hitbodedut, eine Form der Meditation, die darauf abzielt, den Geist zu klären und störende Gedankenwellen zu unterdrücken.

16. Übungsvorschlag zu Sutra III-9

Beobachte diese Woche deinen Geist. Erforsche, ob du die Aussage dieser Sutra bestätigen kannst, dass dein Geist zwischen dem Gleiten von Objekt/Gedanke zu Objekt/Gedanke sowie dem ruhigen Verweilen bei einem Objekt hin und her wechselt.

Meine Erkenntnisse/Erfahrungen bei/mit dieser Übung

 

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17. Siehe auch folgende Sutras

Yoga Sutra I-51: Wenn auch diese Prägungen (Samskaras) zur Ruhe gebracht worden sind, tritt der Yogi in Nirbija (samenlosen) Samadhi ein – die Erleuchtung

Zur Sutra

18. Ergänzungen und Fragen von dir

Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?

Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:

 

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19. Videos zu Sutra III-9

Sukadev zur Sutra III-9 bis III-11

Länge: 5 Minuten

Youtube-Video

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Video von Ahnand Krishna zur Sutra

Asha Nayaswami zu Sutra III-9 bis III-11

Länge: 13 Minuten

Youtube-Video

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20. Beliebt & gut bewertet: Bücher zum Yogasutra


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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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