Tataḥ punaḥ śātoditau tulya-pratyayau cittasya-ikāgratā-pariṇāmaḥ
ततः पुनः शान्तोदितौ तुल्यप्रत्ययौ चित्तस्यैकाग्रतापरिणामः
Hier nun wird die dritte Verwandlung des Geistes des Yogis/ der Yogini beschrieben: die Transformation durch „einpünktige Konzentration“. Dabei empfindet sich das zeitliche Empfinden des fortgeschrittenen Meditierenden.
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:
- Tatah, tataḥ = dann; der, die, das; auf diese Weise; so; daher; also;
- Punah, punaḥ = wieder; nochmals; wiederholt;
- Santa, śāntā = ruhig; (sich) beruhigt; aufgelöst; erloschen; friedlich; gelassen; still; abgeklungen; besänftigt;
- Udita, uditau = gesagt; aufgegangen; aufgestiegen; entstanden; sichtbar; offensichtlich; ins Bewusstsein gekommen;
- Shanta-uditau, shânta–uditau = gesunken und aufgestiegen;
- Tulya = genau gleich; ähnlich; gleichartig; dasselbe; von gleicher Art;
- Pratyayau, pratiyayau, Pratyaya = Gedanke; Vorstellung; Eindruck; Kenntnisse; Verstandesinhalt in zwei verschiedenen Augenblicken; Inhalt des Geistes;
- Citta= Geist; Verstand; das Wandelbare;
- Chittasya = des Verstandes;
- Ekagrata, ekâgratayoh = Sammlung, Konzentration; Einpünktigkeit; Fokus; Fokussierung;
- Parinama, parinâmah, pariṇāmaḥ = Wandlung; Entwicklung; Veränderung; Transformation;
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
- Trevor Leggett: The complete Commentary by Sankara on the Yoga-Sutras* (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
- Wisdom Library
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?
Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
3. Wo wir stehen
Samyama ist die Schlüsselübung im dritten Kapitel des Yogasutra zum Erreichen der geistigen Kräfte. In den Sutras III-1 bis III-7 erläutert Patanjali zunächst, was Samyama ist: die Kombination aus Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). In Sutra III-8 erläutert Patanjali, dass der Yogi zur Erlangung der Erleuchtung über Samyama hinausgehen muss.
In den Sutras III-9 bis III-15 erläutert Patanjali, welche Wandlung der Geist (Chitta) vollziehen muss, um Samyama bis zur Perfektion ausüben zu können. Aufeinander aufbauend sind das die Stadien Nirodha-Parinama (Wandel durch Sammlung, einfache Konzentration), Samadhi-Parinama (Wandlung durch länger andauernde Konzentration) und Ekagrata-Parinama (Wandel/Transformation durch vollkommene Versenkung auf einen Punkt/ein Thema). Der notwendige Wandel des Geistes erfolgt nach und nach, ist keine sprunghafte Entwicklung.
In dieser Sutra erläutert Patanjali, wie man merkt, dass man Ekagrata (einpünktige Konzentration) im Sinne des Yogasutras erreicht hat.
![stufen der sammlung erleuchtung 1000](https://www.yoga-welten.de/images/aki/stufen-der-sammlung-erleuchtung-1000.jpg)
4. Ekagrata parinama - Wandel zum Fluss der Einpünktigkeit
Die Stufen der Sammlung: In Sutra III-9 startet Patanjali mit der Erläuterung von nirodha-parinama (Wandel durch Sammlung), welche sich zu samadhi-parinama (tiefergehende, anhaltende Konzentration) entwickelt (Sutra III-9) und schließlich in ekagrata-parinama (III-12) endet. Ekagrata wird gemeinhin als „beständige Konzentration auf einen Punkt“ definiert.
Feuerstein erläutert, dass Patanjali hier Ekagrata als aus wahrgenommener Abfolge ähnliche Bewusstseinsinhalte resultierend beschreibt. Er erläutert: „Vorstellungen blitzen momenthaft auf, und deren Ähnlichkeit vermittelt den Eindruck von Kontinuität.“
Sukadev schreibt: „Im Grunde genommen sind Sarvikalpa Samadhi (= Samadhi mit Dualität, mit Unterscheidung) und Ekagrata gleichbedeutend. Man kann auch sagen, Ekagrata hat zwei Stufen: die eine ist Dhyana, die zweite Sarvikalpa Samadhi.“ Sarvikalpa Samadhi wäre nur möglich, wenn wir „in der vollen Essenz eines Objektes“ seien.
Iyengar sieht in ekagrata-parinama „das unerschütterliche Aufrechterhalten der auf einen Punkt gerichteten Aufmerksamkeit bis zur ungerichteten Aufmerksamkeit“. Und weiter: „Wenn ein gleichmäßiger, ununterbrochener Strom hoher Aufmerksamkeit entsteht“ würde man in die Wandlungsphase zum gesammelten Bewusstsein eintreten. Die Übung besteht darin, dass die anfänglich nur kurz vorhandenen Stillemomente im Geist immer weiter ausgedehnt werden bis der Geist ganz von der Stille erfüllt ist. Dann würde auch beim Übenden das Empfinden von Zeit enden.
Desikachar verdeutlicht anhand des Meditationsobjektes: „In einem solchen Geisteszustand wird ein Gegenstand vollkommen und in aller Tiefe erfasst.“
Steiner sieht hier einen Abschluss: „Mit Ekagrata-Parinama ist schließlich der letzte Wandel unseres Bewusstseins bezeichnet.“ Ähnlich schreibt Rainbowbody: „Hier wird der Geistesstrom vollständig integriert und vereinigt, da die drei Parinamas als Samyama als Ganzes und auf einmal integriert werden. Die Parinamas sind transformative Praktiken, die wir durch die Praxis verfeinern, bis sie spontan (sahaj) werden. Sie manifestieren sich als das große „Aahhh“ im Leben …“
4.1. Umfrage: Hast du Erfahrung mit der einpünktigen Konzentration?
Hast du Erfahrung mit Ekagrata, der einpünktigen Konzentration?
Wenn ja: Welchen Tipp kannst du uns geben, um diese Konzentrationsstufe zu erreichen?
![fluss einpuenktigkeit 1000](https://www.yoga-welten.de/images/aki/fluss-einpuenktigkeit-1000.jpg)
5. Im Zustand der Ausgeglichenheit nach der Wandlung des Yogis durch ekagrata parinama
Rainbowbody beschreibt diesen Zustand wie folgt: „Man verweilt in der zeitlosen Präsenz, die im Kielwasser in der Mitte dieser beiden Wellen entsteht, im Ein-Punkt-Einheit/Integration (ekgrata) Bewusstsein (cittasya).“ Und weiter: „Hier gleicht der Yogi energetisch die zentrifugalen und zentripetalen Kräfte aus und integriert sie in den zentralen/mittleren Weg (Sushumna). Hier tauchen keine Gedanken mehr auf und der Yogi ruht so lange wie gewünscht in der grenzenlosen und unermesslich großen Stille, in Gemeinschaft mit der wahren Natur der Phänomene/Form.“
Wie können wir uns diesen Zustand noch vorstellen? Wieder Rainbowbody: „Wie zuvor wird das Bewusstsein nicht mehr durch aufkommende und wieder abklingende Gedanken oder Phänomene konditioniert, sondern alles wird als ein ununterbrochenes, alles einschließendes und grenzenloses Kontinuum erfahren …“
Swami Venkatesananda schreibt: „Wenn die beiden Bewegungen des Gedanken-Aufkommens und des Gedanken-Abnehmens, die Bewegungen der Ablenkung und der Zurückhaltung, von gleicher Kraft sind, befindet sich der Geist in einem vollkommen ausgeglichenen Zustand, der einer Nicht-Spaltung oder Nicht-Polarität entspricht. Es gibt weder ein (gewolltes) Denken noch eine Unterdrückung des Denkens, und die Intelligenz hat ihre natürliche, mühelose, unidirektionale Bewegung, die in Wirklichkeit eine Nicht-Bewegung ist.“ (Quelle: Website Rainbowbody)
6. Kommentar von Vyasa zu Sutra 3.12
Erläuterungen zu Vyasa
Vyasa war ein indischer Philosoph des 5. bzw. 6. Jahrhunderts nach Christi, der den ältesten überlieferten Kommentar zum Yogasutra des Patanjali schrieb. Der Text wird Yogabhashya (wörtlich "Kommentar (Bhashya) zur Yogaphilosophie") genannt und um 600 nach Christi datiert. Vyasas Kommentare zu den Sutras sind oftmals recht kurz.
Dieses Yogabhashya wurde im 8./9. Jh. von Shankara (788–820 n. Chr, indischer Gelehrter, Vedanta-Philosoph, Begründer der Advaitavedānta-Tradition) kommentiert. Sein Kommentar nennt sich Yogabhashyavivarana, Vivarana ist ein Unterkommentar. Auch Vachaspati Mishra hat einen frühen, berühmten Kommentar zum Yogasutra geschrieben. (Meine Quellen für diese Kommentare waren unterschiedliche Bücher und Webseiten, zum Beispiel Legget (siehe Literatur) und wisdomlib.org/hinduism/book/yoga-sutras-with-commentaries/). Ich gebe hier diese Kommentare in für mich relevanten Auszügen in Worten wieder, die für mich den Sinn in heutigen Worten am besten wiedergeben. Dies ist explizit kein Bemühen, die Originalkommentare wortgetreu wiederzugeben. Fehlinterpretationen sind natürlich in meiner Verantwortung.
Du siehst etwas anders, hast einen Fehler gefunden oder möchtest etwas ergänzen? Bitte schreibe dies unten bei "Ergänzungen von dir".
Die Kommentare von Vyasa, Mishra und Shankara sind oft wörtlich übersetzt worden, zum Beispiel bei den oben angegebenen Quellen.
Vyasa schreibt: „Im konzentrierten Geist, nachdem die frühere Idee abgeklungen ist, ist die nächste Idee, die aufsteigt, ihr ähnlich. Der Geist in samādhi nimmt die Form von beiden an. Dies wird wiederholt sich auf die gleiche Weise bis zum Abbruch des samādhi. Vom Geist, der diese Eigenschaft besitzt: das ist die Verwandlung der Einpünktigkeit.“
7. Übungsvorschlag zu Sutra III-12
Im Zen wird der Zustand der Stille gerne als der Moment zwischen zwei Gedanken definiert. Übe diese Woche, diesen Moment wahrzunehmen. Mit der Zeit kann es dir gelingen, schon das Aufsteigen des neuen Gedankens zu bemerken.
Meine Erkenntnisse/Erfahrungen bei/mit dieser Übung
8. Siehe auch folgende Sutras
Yoga Sutra I-47: Erreicht der Yogi Routine im Nirvichara Samadhi, erscheint ihm allmählich das innerste Selbst
Yoga Sutra I-51: Wenn auch diese Prägungen (Samskaras) zur Ruhe gebracht worden sind, tritt der Yogi in Nirbija (samenlosen) Samadhi ein – die Erleuchtung
Yoga Sutra II-19: Die Stufen der Eigenschaftszustände von den Grundbausteinen der Natur (den Gunas) sind spezifisch, unspezifisch, subtil-differenziert und undefinierbar.
Yoga Sutra II-20: Der sehende ist reines Bewusstsein; doch er sieht [die Welt] durch den [täuschungsanfälligen] Geist
9. Ergänzungen und Fragen von dir
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
10. Videos zu Sutra III-12
Sukadev zu Sutra III-12
Länge: 5 Minuten
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
Anvita Dixit zu Sutra III-12
Länge: 8 Minuten
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
Sukadev-Erläuterungen zur Konzentration in Sutra III-12 bis III-15
Länge: 5 Minuten
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
Video von Ahnand Krishna zur Sutra
Asha Nayaswami zu Sutra III-11 bis III-15
Länge: 73 Minuten
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
11. Beliebt & gut bewertet: Bücher zum Yogasutra
Patanjalis Yogasutra: Der Königsweg zu einem weisen Leben*
Von Ralph Skuban. Sehr hochwertig, viele kluge Gedanken. | Bei Amazon 🔎
Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute*
Von Sukade Bretz. Fundierte Kommentierung mit vielen Praxis- und Alltagsauslegungen. | Bei Amazon 🔎
Yogasutra für Einsteiger: Entdecke die Seele des Yogas*
Von Mira Blumenberg. Momentan sehr beliebt auf Amazon, leicht geschrieben. | Bei Amazon 🔎
11.1. Alte Schriften auf Yoga-Welten.de
- Das Yogasutra – jede Sutra detailliert erläutert
- Die Hatha-Yoga-Pradipika – kapitelweise zusammengefasst
- Zusammenfassung der Bhagavad-Gita
- Eine kurze Zusammenfassung der Upanishaden und des Mahabharata
- Die Mandukya Upanishad – deutsche Übertragung
- Die Gheranda Samhita – kapitelweise zusammengefasst
- Yoga in der Bhagavad Gita – die bunte Vielfalt
➔ Zu allen alten Schriften auf Yoga-Welten.de
Weitere oft aufgerufene alte Schriften
- Yoga im Mahabmarata – erste Systematik
- Goraksa-Sataka – die älteste Hatha-Abhandlung
- Brahma-Sutra Bhashya von Sankara – der Kommentar von Sankara
- Mrigendra Tantra Yoga Pada
- Die Shiva Samhita