augen meer Pratyaksa-ânumânâ-agamâh pramânâni
प्रत्यक्षानुमानागमाः प्रमाणानि

Patanjali erläutert die Vrittis. Das korrekte Wissen bzw. die Mittel zu dessen Erkenntnis: Pramana. Das hört sich zunächst harmlos an, doch auch korrektes Wissen wird auf dem Weg des Yoga zum Hindernis.

Inhalt: Yogasutra Kapitel 1, Vers 7

Punkt 1

1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:

  • Pramana, pramâna, pramânâni = akkurate oder richtige Wahrnehmung, Wahrnehmungen; gültiges, rechtes, zutreffendes oder korrektes Wissen, bezeugte Tatsachen bzw. die Mittel des Geistes dazu; etwas anders: Mittel, um wahres Wissen zu erlangen, richtiges Erkennen; etwa anders: Mittel, wahres Wissen zu erlangen, richtige Auffassung, Wahrnehmung von etwas real Vorhandenem, Wahrnehmung von Gegenständlichem.

  • Pratyaksha = direkte Kenntnis, vor den Augen, unmittelbar sehen, spontane Wahrnehmung, Wahrnehmung über die fünf Sinne, Empfindung, Input, direktes Erleben; auch: gegenständliche Wahrnehmung.

  • Anumana, anumâna = Folgerung bzw. Schlussfolgerung, auf Berechnung basierend, über den Intellekt (mana) erfolgend, Reflexion, Erdachtes.

  • Agama, âgama = was immer galt, per Zeugnis, Wahrheiten von glaubwürdigen Meistern oder anderen Quellen (Schriften), was angenommen werden darf, Überlieferung (Erkenntnis, die auf der Autorität heiliger Schriften beruht), manchmal auch nur als "heilige Schriften" übersetzt, Zeugenaussage eines Lehrers oder eines traditionellen Textes, Schriftwissen, was von den Vorfahren weitergegeben wird.

2

2. Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hervorhebungen weisen auf Besonderheiten der jeweiligen Übersetzung hin. Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • Korrektes Wissen besteht aus direkter Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Überlieferung basierend auf der Autorität heiliger Schriften.

  • Unmittelbare Wahrnehmung, Folgerung und wahre Zeugenaussage sind Formen korrekten Wissens.

  • Wissen zutreffender Art ist direkt oder durch Schlussfolgerung erkannt oder als wahr bestätigt.

  • Korrekte Wahrnehmung kommt auf drei Weisen - durch unmittelbare Wahrnehmungen, durch intellektuelle Erkenntnisse und durch das Übernehmen von Erkenntnissen aus zuverlässigen Quellen.

  • Wahres Wissen erlangt man durch: Wahrnehmung über die fünf Sinne, Schlussfolgerung und das Lesen heiliger Schriften.

  • Wahre Erkenntnis wird durch direkte Beobachtung erworben, durch zuverlässige Überlieferung oder durch sorgfältige Schlussfolgerungen aus diesen Quellen.

  • Richtige Wahrnehmung erhebt sich aus direkter Beobachtung, Schlussfolgerung und den Worten anderer.

  • Die Richtigen sind Wahrnehmung, logisches Denken und Überlieferung.

  • Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Zeugenaussage begründen Paramas.

  • Richtiges Wissen basiert auf direkter Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Zeugenaussage.

  • Valides Pramana durch Beurteilung sind: Direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Zeugenaussage.

  • Das Valide durch Beurteilung sind direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung und mündliche Zeugenaussage.

  • Die Quellen richtiger Kenntnis sind direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Zeugenaussagen heiliger Schriften.

  • Arten richtigen Wissens sind: Direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Zeugenaussagen von heiligen Schriften.

  • Direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung und kompetente Belege sind Nachweise

  • Kenntnis gründet sich auf dem, was den Sinnen erscheint, was durch das Denken erkannt wird und was andere erzählen.

  • Direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung und Zeugenaussage sind die Pramanas.

  • Gegenständliche Wahrnehmung beruht auf dem, was den Sinnen erscheint, was aus dem Verstand entsteht und auf Überlieferung.

  • Valide Wahrnehmung basiert auf Anschauung, Schlussfolgerung und Zeugenaussage.
Zu den Quellen

Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:

Bücher

Internetseiten

Dein Übersetzungsvorschlag

Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.

Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?

Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)

 

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Punkt 3

3. Deutung

Man beachte, dass Patanjali nicht sagt, dass jede direkte Wahrnehmung oder jede heilige Schrift zur Wahrheit führt. Offenkundig sind immer Fehlbeobachtungen möglich und heilige Schriften widersprechen sich häufig.

Ein schönes Beispiel hierfür zeigt folgendes Bild:

Impossible staircase

Nebenbei bemerkt: Viele Menschen bilden sich heutzutage eine Meinung aus dem Lesen von Zeitungen. Dies würde Patanjali wohl nicht als "heilige Schriften" bezeichnen :-) Analoges gilt für Videobilder, welche sich stets auf Teilaspekte einer Wirklichkeit konzentrieren und von daher das Gesamtbild unvollständig wiedergeben, ganz abgesehen von möglichen Manipulationen. Vielleicht deutet Patanjali hier an, dass du dir immer nur selbst ein Bild machen kannst und zum Rest besser schweigen soltest.

Punkt 4

auge collage

4. Sinne und Intuition

Das zutreffende Wissen kann also durch unmittelbare Wahrnehmung erfolgen. Gemeint sind zumeist Wahrnehmungen über die Sinnesorgane. Andere sehen auch Intuition und warnende Gefühle als unmittelbare Wahrnehmungen und so potentiell zu korrekten Erkenntnis führend.

Andere Kommentatoren ergänzen eine "überbewusste Intuition", die aus dem wahren Selbst stammt. Diese Form intuitiven Wissens soll – wenn es authentisch ist und nicht einer Verrücktheit entstammt - stets mit einem Gefühl von Ausdehnung einhergehen, mit Liebe, mit Wonnegefühl, etwas Unendlichem. Daran könne man die höhere Intuition erkennen.

Siehe hierfür auch Sutra III-34 und III-37:

 
Tataḥ prātibhaśrāvaṇavedanādarśāsvādavārtā jāyante
ततः प्रातिभश्रावणवेदनादर्शास्वादवार्ता जायन्ते

 

Weiterlesen …

 
Prâtibhâd vâ sarvam
प्रातिभाद्वा सर्वम्

 

Weiterlesen …

Manche interpretieren in diese Sutras, dass Patanjali nur die unmittelbare Wahrnehmung aus der höheren Intuition , ohne Sinneseinwirkung, als die eigentliche, korrekte direkte Wahrnehmung anerkennt.

Punkt 5

5. Folgerichtige Schlußfolgerung

weiserWahre Quellen (ursprünglich gemeint: von einer Autorität, einer heiligen Schrift) bilden heutzutage den größten Anteil unseres Wissens, oder hast du schon einmal dein Herz schlagen gesehen? Nein, du hast es irgendwo gelesen oder gehört und glaubst an die Bilder von Herzquerschnitten.

Sukadev empfiehlt von daher, bei allen Wahrnehmungen Viveka, die Unterscheidungskraft, anzuwenden, um wahres vom Falschen zu trennen.

Punkt 6

6. Pramana – ein Vorteil?

Desphande bewertet Pramana als die angesehenste Vritti im menschlichen Leben. Sie ist neben der Inspiration verantwortlich für alle Fortschritte in der Wissenschaft. Deshpande stuft dennoch die Relevanz von Pramana für die üblichen Handlungen der Menschen als gering ein. Vernunft? Wie langweilig ... Zudem beschränke sich der Erkenntnisgewinn von Pramana auf die physische Natur.

Ist Pramana - korrekte Erkenntnis - nun etwas Gutes im Hinblick auf das Ziel im Yoga? Letzten Endes nicht, da auch dieses wahrhafte Wissen ein Vritti erzeugt und uns somit die Sicht auf den Purusha trübt. Kleines Beispiel: Ein Motorengeräusch während der Meditation - hereingeströmt durch das offene Fenster - ist zwar eine direkte Wahrnehmung, lenkt aber in der Meditation ab und somit ist eine direkte Wahrnehmung als Vritti ein Hindernis bei der Beruhigung der Bewegungen im Geist ...


Die unbeeinflusste, absichtslose Wahrnehmung kann zum Beispiel beim voll konzentrierten Beobachten einer Kerze oder Blüte geübt werden.

Punkt 7

7. Weisheit in der Dualität

Iyengar weist darauf hin, dass es Weisheit nicht in der Dualität geben kann. Weisheit sieht alles als Einheit. Patanjali spricht in III-55 von erhabener Intelligenz:

 
târakaä sarva-viæayaä sarvathâ-viæayam akramam ceti vivekajaä jõânam
तारकं सर्वविषयं सर्वथाविषयमक्रमं चेति विवेकजं ज्ञानम्

 

 

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Kleiner Nachteil: Diese Weisheit sei seiner (Iyengars) Meinung nach untauglich zum Lösen von Herausforderungen des normalen Lebens in einer dualistischen Welt, da diese erhabene Intelligenz von der Natur (Prakrti) unberührt sei. Die Verfeinerung dieser Intelligenz sei jedoch für die Suche nach Freiheit essentiell, da sie dann nach innen zum wahren Selbst hingezogen wird. Siehe:

Tadā viveka-nimnaṁ kaivalya-prāg-bhāraṁ cittam
तदा विवेकनिम्नङ्कैवल्यप्राग्भारञ्चित्तम्

 

 

Weiterlesen …

Iyengars Einwand erinnert an das Höhlengleichnis aus Sutra I-4: Der aus der Höhle Befreite würde, zurück in der Höhle, mit seinen neuen Erkenntnissen in der Unterwelt nichts anfangen können. Im Gegenteil: Seine Augen müssten sich erst einmal wieder an das Schattendasein im Höhlendunkel gewöhnen, um sich überhaupt grob orientieren zu können.

Punkt 8

8. Fazit

Trau, schau, wem. Die Sutra 1.7 kann man auch als Aufforderung verstehen, die eigenen Meinungen einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen, um sich der Unvollkommenheit unserer Sinne und unseres Verstandes bewusst zu werden.

8.1. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text

Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?

Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:

 

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Punkt 9

9.

uebung sutre

Übungsvorschlag für die kommende Woche: Forsche diese Woche in deinen Überzeugungen. Welche davon beruht auf Pramana im Sinne Patanjalis? Mache dir zudem bewusst, inwiefern diese auf Pramana beruhende Überzeugung dennoch als Vritti die Ruhe deines Geistes stört.

Weiterlesen …

Punkt 10

10. Videos zur siebten Sutra

Erläuterung zur siebten Sutra auf Deutsch:

Youtube-Video

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{tab Englische Erläuterung}

Youtube-Video

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{tab Englisch 2}

Youtube-Video

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Punkt 11

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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