kopf mosaik ii 250Tatra shabdârtha-jnâna-vikalpaih samkîrnâ savitarkâ samāpattiḥ
तत्र शब्दार्थज्ञानविकल्पैः संकीर्णा सवितर्का समापत्तिः

Mit dieser Sutra beginnt die Reise im Samadhi. Patanjali beschreibt zunächst die Erscheinungen auf dieser ersten Stufe des Samadhi und nennt sie Savitarka. 
Es handelt sich dabei um eine Art Erleuchtung – aber mit "Denken" ...

Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Zunächst hier Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:

  • Tatra = da, in ihm, darin; wobei; 
  • Shabda, shabdâ = Wort; Klang; Name;
  • Shabda-jnana = Wissen, das auf den Worten anderer basiert;
  • Artha, ârtha = Bild; Objekt; Wahrheit; Bedeutung; (Sinn und) Zweck; wirkliche Bedeutung, wahres Wissen vom Objekt; 
  • Artha-jnana = Wissen; Wissen, dass auf Schlussfolgerung basiert;
  • Jnana, jnâna = Wissen; Idee; gewöhnliches Wissen aufgrund von Sinneswahrnehmung und Überlegung; 
  • Vikalpa = Annahmen; Einbildung; Imagination; Vorstellung; Zerstreutheit, Wechsel; 
  • Vikalpaih = Durch/mit ... Einbildungen, Vorstellungen ...; begriffliches Denken;
  • Samkirna, samkîrna = verworren; durchsetzt; vermischt; verwirrt; gemischt; undeutlich;
  • Tarka = Logische Schlußfolgerung;
  • Savitarka, savitarkâ = Samadhi mit Dualität; argumentierend (Eliade); mit Annahme; mit fremdem Wissen/Schlussfolgerung/Vorstellung;
  • Samapatti = Zustand/Fähigkeit im Samadhi mit mehreren Stufen, siehe Yoga-Sutra I-41; Versenkung; Erfüllung, Verschmelzung; Übereinstimmung; Vereinigung; Zusammenkommen; genaues Treffen; genaue Erkenntnis; In-eins-Fallen; durchdringende Zusammenschau; Erhebung; kognitive Versenkung, bei der man sich mit dem Meditationsgegenstand identifiziert; 
  • Savitarka Samapatti = Eine bestimmte Form oder Entwicklungsstufe des Samapatti;

 

Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hinweis: Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • R. Skuban: "... das Bewusstsein ... in das Objekt der Meditation eingetaucht ... Name ... Gestalt ... mentalen Inhalte ... miteinander vermengt sind."
  • R. Sriram: "Dieser Zustand [gemeint ist Samprajnata Samadhi/Samapatti] hat (vier) verschiedene Identitäten ..."
  • Iyengar: "... verschmelzen Wort, Bedeutung und Erkenntnis ..."
  • Govindan: "Die kognitive Versenkung, bei der die Subjekt-Objekt-Identifikation mit spontan auftauchenden Worten und ... durchsetzt ist ..."
  • Coster: "In der Meditation, die sich mit den äußeren Gegenständen und Sinneseindrücken befasst ..."
  • Deshpande: Wenn Samapatti eine Vermischung von "Wort, Sinn und Erkenntnis enthält ..." sei dies eine mit Denken verbundene Meditation, Savitarka.
  • Palm: "... ist es das mit zweifelhaftetem Erfassen verbundene In-eins-Fallen."
  • Eliade (S. 90) nennt Savitarka "argumentierend"
  • Feuerstein: "Ist konzepthaftes Wissen ... mit diesem ekstatischen Zustand ... vermengt ..."
  • Svami Satchidananda (Eigenübersetzung) " Der Samadhi, in dem Name, Form und Wissen gemischt sind, wird Savitarka Samadhi oder Samadhi mit Überlegung genannt."
  • Chip Hartranft (Eigenübersetzung): "So lange, wie konzeptionelles oder sprachliches Wissen diese Transparenz durchdringt ..."
  • 12koerbe.de: "... folgt nur eine verwirrte nachdenkliche Übereinstimmung"
  • Barbara Miller (Eigenübersetzung): "Wenn Konzepte, die aus Wissen geformt, auf Worten basieren und ihre Bedeutung beschmutzt wurden, ist das kontemplative Gleichgewicht durch Vermutungen gebrochen."
  • Swami Vivekananda: "... wird dies Samadhi mit Vernunft genannt."

 

Die vier Stufen des Samapatti sind die Unterteilungen der ersten Stufe des Samadi: Des Samprajnata Samadhi, des Samadhi mit Samen. Siehe Kapitel zu Samadhi.

Diese Sutra beschäftigt sich mit der ersten Stufe von Samapatti. Grundlegende Erläuterungen zu Samapatti finden sich in Sutra I-41.

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Savitarka – die erste Stufe des Samprajnata-Samadhi. Oder: Ein bisschen erleuchtet

buddha gruen licht 8i 564Erleuchtung ja, aber noch "vermengt"

Es gibt weitere Unterteilungsvarianten des Samadhi-Zustandes, die teilweise mehrere Stufen zusammenfassen. Hier befinden wir uns auf der Ebene von Samprajnata-Samadhi (= Samadhi "mit Samen"), der Samadhi ist noch nicht frei von allen Objekten, der Geist "bewegt" sich weiterhin, wenn auch nur wenig. 

Nach Samprajnata folgt der Asamprajnata Sadamdhi (auch Nirbija Samadhi Nirvikalpa Samadhi oder Nirbija Samadhi genannt). Asam-Prajnata = ohne Bewusstheit von etwas – Samadhi ohne ein Hilfsmittel. "Außerhalb jeder äußeren oder inneren Beziehung" (Eliade S. 90). Der nicht dualistische Samadhi. Reines Begreifen des Seins. Siehe näheres ebenfalls im Beitrag Samadhi

 

Die Sutra I-42 wird in den Schriften oftmals schwer verständlich kommentiert. Vermutlich, weil viele Autoren diesen Zustand auch noch nicht erreicht haben und um Begriffe ringen, mit diesen aber keine konkrete Vorstellung verbinden.

Eliade schreibt beispielsweise auf Seite 90f.: Auf der Savitarka-Stufe identifiziert sich das Denken mit dem Meditationsobjekt in "wesentlicher Totalität". Sache, Begriff und Wort - drei Aspekte eines Objektes - sind während der Meditation in "Koinzidenz" - das gleichzeitige Zusammentreffen zweier Ereignisse - mit dem Citta (Denken).

Was habe ich konkret darunter zu verstehen? Klar scheint mir, dass die vier Stufen des Samapatti (bzw. Samprajnata Samadhi) Etappen zunehmender Klarheit beschreiben. Am Anfang ist die Klarheit der Erkenntnis noch von verschieden Dingen "beschmutzt".
Skuban: Der Fokus des Yogi oszilliert zwischen den drei Phänomenen des Meditationsobjektes: der grobstoffliche Aspekt, der Wort-Klang und der Idee, der Vorstellung von dem Objekt.

Das Bewusstsein löst sich zwar schon etwas ins Überbewusste, ist bei Savitarka aber noch mit vielen Konzeptionalisierungen der Objekte verbunden.

Übt man sich weiter in der Versenkung, wird das Wissen klarer, siehe die folgenden Sutren I-43 bis I-51 hier im Yogasutra des Patanjali. Ziel des Raja Yoga ist die vollständige Befreiung, Erlösung, Auflösung der Identifikation mit den Objekten.

stufen wald ui 564Savitarka: Die erste Stufe im Samadhi

"Eigentlich ist es noch nicht Samadhi, sondern nur der Savitarka-Zustand, den Patanjali hier beschreibt."

Kommentar zu I-42 von Sukadev

Anders ausgedrückt: Savitarka Samapatti ist ein Samadhi-Erkenntnis-Vorgang, der noch mit relativ viel Gedankenaktivität einhergeht. Iyengar macht anderersteits deutlich, dass es sich hier bereits um ein geläutertes Bewusstsein handelt und das mit Savitarka Samapatti durchaus eine neue Art von Wissen entsteht. Govindan betont, dass man Savitarka nicht als ein Produkt umherschweifender Gedankten abtun sollte, sondern dass es sich fraglos um Erkenntnisse von einzigartiger Klarheit und Kraft handelt.

Deshpande (S. 72) wird genauer. In Savitarka Samapatti sehe man Wirkungen von Worten und Erkenntnissen und nimmt wahr, wie die Klarheit durch die Vermischung dieser Aspekte verwirrt wird. Für ihn befreit Savitarka den Menschen aus der Versklavung des logischen Denkens.

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Der Weg zu Savitarka

Eliade: "Savitarka Samadhi wird erreicht, indem man sich auf den groben bzw. substantiellen Aspekt eines Meditationsobjektes konzentriert." Die Sinneswahrnehmung Objektes sei "direkt", ich vermute in der Art, als wäre man unmittelbar verbunden, vielleicht vergleichbar mit dem Gefühl des Fingers auf einem Objekt? Allerdings soll sich diese Wahrnehmung auch auf die Vergangenheit und die Zukunft des Objektes erstrecken.

Savitarka mit einer Gottheit

Eliade verdeutlich Savitarka anhand des Yogasutra-Kommentators Vijnana Bhiksu am Beispiel der Meditation über Gott Vishnu: Savitarka Samadhi (bzw. Samapatti) über Vishnu beinhaltet gemäß Vijnana Bhiksu eine konkrete Vorstellung über Vishnu, dessen himmlische Dimension, seine Vergangenheit und die Zukunft des Gottes. Dabei ist die Wahrnehmung des Yogi weit und offen.

Skuban schreibt: "In Savitarka sind jedoch außer diesen [Name, Qualität und Wissen] keine anderen vrittis mehr vorhanden – der Yogi denkt nicht nach, er analysiert nicht." Es herrsche "völliger Friede und Stille".

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Die Philosophie hinter Samapatti

Feuerstein verweist darauf, dass die Yoga-Philosophie zischen verschiedenen Daseinsebenen unterscheidet. Von grob bis fein, von nicht-manifest bis transzendent. Savitarka Samapatti, bei der das Objekt in einer mit Denken durchmischten Ekstase betrachtet wird, gehört noch zur groben Ebene.

Fast identisch beschreibt es Swami Prabhavanda in seiner Sutra-Auslegung (Eigenübersetzung): "Wenn der Geist Identität mit einem groben Objekt der Konzentration erreicht, durchmischt mit dem Bewusstsein des Namens, der Qualität und des Wissens, wird dies Savitarka Samadhi genannt."

Vielleicht will das folgende Zitat den Beginn von Samapatti umschreiben:

„Meditieren heißt, in eine Idee aufgehen und sich darin verlieren, während Denken heißt, von einer Idee zur anderen hupfen, sich in der Quantität tummeln, Nichtigkeiten anhäufen, Begriff auf Begriff, Ziel auf Ziel verfolgen. Meditieren und Denken, das sind zwei divergierende, unvereinbare Tätigkeiten.“

Emile Cioran: Die verfehlte Schöpfung. 1949

 

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graeser tropfen licht uu 564

Ist Mediation nur eine Entspannungstechnik für den Geist?

Meditation als spirituelle Praxis ist immer auch in unterschiedliche religiöse, psychologische und ethische Lehrgebäude eingebunden. In westlichen Ländern wird die Meditation auch unabhängig von religiösen Aspekten oder spirituellen Zielen zur Unterstützung des allgemeinen Wohlbefindens und im Rahmen der Psychotherapie praktiziert. Im älteren deutschen Sprachgebrauch bezeichnet „Meditation“ einfach ein Nachdenken über ein Thema oder die Resultate dieses Denkprozesses.

Yoga und Buddhismus sind sich recht ähnlich. Viele Praktizierende beider Richtungen verbinden (fälschlicherweise) mit beiden Lehren nur die Ruhe-Meditation – die beständige Konzentration auf ein Objekt.

Es gibt aber in beiden "Stilen" noch eine zweite grundlegende Meditationsform: Die Einsichtsmeditation. Der Yogi/Buddhist befasst sich bei dieser Meditationsform mit Fragen/Objekten wie: Welche Wirklichkeit haben Erlebnisse und erlebte Objekte, und was ist die Verbindung zwischen beiden? Was bedeutet das Phänomen des Todes für mich?

Dieser Erkenntnisprozess durch Austausch mit dem Lehrer oder in Meditation wird Lhaktong (tib.) oder Vipassana (skt.) genannt.

Einsichtmeditation braucht einen ruhigen Geist als Basis. Darum wird zunächst eine normale Ruhe-Meditation (z.B. die Konzentration auf den Atem) durchgeführt. Ist die gewünschte Geisteskonzentration erreicht, wird in der buddhistischen Schulung gerne über ein vorgegebenes Thema kontempliert. Es kann sich dabei auch um konzentriertes, in die Tiefe gehendes Nachdenkens handeln, so wie es Mark Aurels in seinen Selbstbetrachtungen schildert oder Descartes in „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie“.

 

Zusammengefasst

Das Meditieren mit und über ein Objekt kann zum Zustand des hier beschriebenen Savitarka führen. Wie es in den tieferen Stufen des Samadhi weitergeht, schildern die folgenden Sutren.

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uebung sutre

Übungsvorschlag für die kommende Woche zu Sutra 1-42:

Setze dich in Meditationshaltung vor eine brennende Kerze. Beobachte die Flamme entspannt. Spüre in deinem Geist die Wärme der Flamme. Konzentriere dich ganz auf die Kerze und achte darauf, wie in dir Wissen über die Kerze in deinem Geist auftaucht, du deren Namen nennst, in dir Vorstellungen über Lebensereignisse mit Kerze auftauchten. Werde im Geist immer ruhiger und schaue, ob du Samapatti (die Verschmelzung) mit all diesen Phänomenen der Kerze (in deinem Geist) wahrnehmen kannst.

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Videos zu Sutra I-42

In den rechten Tabs finden sich Videos zu dieser Sutra. Leider nur noch auf Englisch. Zu den ersten Sutra gibt es noch eine Reihe von deutschen Videos, siehe die dortigen Vorschläge.

Youtube-Video

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Video zu den Sutras I-41 bis I-46:

Youtube-Video

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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